Rückblick

Omni-Channel-Strategien in der digitalen Welt

Ausgebucht
Datum23. Juli 2018
OrtHotel Courtyard-Maschsee, Arthur-Menge-Ufer 3, Hannover

Ein Vortrag von Prof. Dr. Martin Fassnacht

Moderne technische – digitale – Möglichkeiten bieten dem Kunden völlig neue Dimensionen des Einkaufserlebnisses. Zwar ist es für ihn einfacher, Produkte online zu vergleichen oder zu bestellen, doch für Händler und Hersteller wird es damit zunehmend schwieriger, Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Wer nicht nur technisch, sondern auch konzeptionell vorne mit dabei ist, wird Kunden für sich gewinnen und halten. Digital und real verschmelzen auch im Handel immer mehr miteinander – ausgearbeitete Omnichannel-Strategien sind daher unverzichtbar.

In elf Thesen stellt Prof. Dr. Martin Fassnacht vor, welche Herausforderungen es im „Omnichannel-Zeitalter“ zu bewältigen gilt.

1. Die Digitalisierung verändert die Handelslandschaft radikal. Davon sind alle Kanäle und Branchen betroffen.

Wer ist Händler? Und wer ist eigentlich Hersteller des Produkts? Das können wir heutzutage nur noch schwer sagen. Das klassische Handelsumfeld, wie es noch vor einigen Jahrzehnten herrschte, gibt es nicht mehr. Stattdessen mischen Intermediär-Unternehmen, wie Facebook oder Google, und neue Geschäftsmodelle, wie der asiatische Marketplace Alibaba, mit und buhlen um die Aufmerksamkeit und die Treue der Kunden. Das bedeutet: Es gibt keine klar erkennbaren Branchengrenzen mehr – jeder kann und wird mit jedem konkurrieren oder kollaborieren. Durch die großen Player wie Amazon sinkt die Anzahl der Händler, mit denen ein Kunde in Kontakt tritt, rapide. Unternehmen wie Facebook werden in naher Zukunft nicht mehr nur Kommunikationskanäle darstellen, sondern auch Vertriebskanäle. Erste Schritte in diese Richtung sind bereits getan. So wird auch etablierten Anbietern in diesen Branchen das Leben schwer gemacht.

2. Das Internet gewinnt in allen Branchen zunehmend an Bedeutung.

Die Zahlen zeigen es Schwarz auf Weiß: Die E-Commerce-Umsätze sind in den letzten Jahren stetig gestiegen – Tendenz nach oben. In allen Kategorien wachsen die Online-Umsätze. Die Generation, die nicht nur als „Digital Natives“ bezeichnet wird, sondern auch überaus kaufkräftig ist, ist die der Millennials. Sie nutzt die Vorteile des Online-Handels: Flexibilität, großes Sortiment, bessere Preise und viele mehr.

Nicht nur Produkte wie Bekleidung, Elektronik oder Kosmetik sind hier von Bedeutung. Aus Asien schwappt langsam der Trend nach Europa, Lebensmittel und Getränke online zu bestellen. Diese Kategorie stellt die wachstumsstärkste dar. Treibende Kräfte in Asien sind zum Beispiel die wachsende Anzahl von Smartphone-Nutzern sowie eine zunehmende Urbanisierung. Herr Prof. Dr. Fassnacht ist sich sicher: Der Online-Handel mit Lebensmitteln wird nur solange eine Nische bleiben, bis die Hindernisse bei der Zustellung überwunden sind.

3. Hersteller suchen über Direktvertrieb und Kooperationen den Zugang zum Kunden.

Hersteller können durch die direkte Kommunikation mit den Kunden den Handel umgehen – so behalten sie die Kontrolle über die Preise und können eine optimale Kundenbeziehung aufbauen. Allerdings müssen Hersteller attraktive Verkaufspunkte schaffen, die in der digitalen Welt bestehen können. Nestlé hat dafür 2011 einen eigenen Marketplace geschaffen, welcher den Verbrauchern einen außerordentlichen Mehrwert bietet: Beratung, Bonusprogramme und Interaktion machen das Angebot attraktiv.

Die Alternative zum Direktvertrieb ist Amazon: Hersteller können hier als Lieferanten oder Verkäufer im Marketplace auftreten. Der Riese Amazon hat sehr gute Kundenbeziehungen, von denen Hersteller profitieren können.

4. Der stationäre Handel bleibt eine wichtige Säule in der Handelslandschaft.

Der stationäre Handel bietet dem Kunden durchaus noch einen Mehrwert, wenn auch nicht in allen Bereichen. Die Barzahlung und sofortige Bedürfnisbefriedigung sind noch elementare Bereiche, doch auch diese werden in Zukunft durch Bargeldlose Bezahlsysteme über das Smartphone oder die fast sofortige Lieferung der Waren von digitalen Händlern verdrängt. Während der Handel vor Ort als Einkaufserlebnis galt, gibt es inzwischen immer mehr Online-Shops, die ein erlebnisvolles Einkaufen ermöglichen. Prof. Dr. Fassnacht sieht Chancen zum Beispiel im Spirituosen-Handel: Durch Inspiration am Regal, eine emotionale Atmosphäre, eine hochgradige Beratungskompetenz sowie digitale Elemente vor Ort können Kunden Mehrwerte erfahren, die online nicht verfügbar sind.

5. Start-ups dringen als “Digital Invadors” in alle Kanäle vor und fordern etablierte Hersteller und Händler heraus.

Die Digitalisierung bringt Start-ups in allen Bereichen hervor – wenn auch nicht immer erfolgreich. Nicht jedes Start-up muss ein Global Player werden, meint Prof. Dr. Fassnacht. Klein und fein, dabei aber erfolgreich und rentabel, ist durchaus ein lohnenswertes Ziel. Was viele Start-ups unterschätzen, ist der Vertrieb ihrer Waren sowie die Brand Awareness.

Wer als „online pure players“ mit eigenem Direktvertrieb startet, kann nach und nach weitere Kanäle durchdringen und so auch erfolgreich im stationären Handel landen – und schlussendlich sogar eigene stationäre Läden eröffnen. Auch der Vertreib über Amazon kann ein Sprungbrett sein.

6. Omnichannel-Strategien gewinnen an Bedeutung, da Shopper zunehmend verschiedene Kanäle kombinieren.

Interaktion und Flexibilität wünschen sich die meisten Kunden. Mit der Vernetzung verschiedener analoger und digitaler Kanäle bekommt der Kunde diese Möglichkeit. Wer in der App nach einem Produkt sucht, kann es via Virtual Reality testen, sich via Chat-Bot beraten lassen und es dann im stationären Geschäft kaufen. Dabei ist das Smartphone „die Waffe des Verbrauchers“, wie Prof. Dr. Fassnacht es formuliert. Aber auch die Hersteller und Händler können sich diese „Waffe“ zunutze machen. Dies kann beispielsweise mit Beacons möglich werden, sodass der Kunde während seines Einkaufs im stationären Geschäft Nachrichten auf sein Smartphone bekommt – Angebote kommen so direkt am POS beim Kunden an. Die Verschmelzung zwischen realer und digitaler Welt ist dabei eine neue Möglichkeit der Interaktion, wie beispielsweise die „Smart Malls“ in Dubai, in denen virtuelle Einkaufskörbe gefüllt werden können  – die Waren werden dann bequem nach Hause geliefert.

7. Der Einfluss der Unternehmen auf den Shopper sinkt.

Was Verbraucher freut, ist für Unternehmen ein vermeintlicher Rückschritt. Social Media, Influencer und Blogger beeinflussen die Kaufentscheidungen massiv. Prof. Dr. Fassnacht sieht diesen Trend jedoch als relativ kurzlebig an: Er gibt ihm noch etwa zehn Jahre.

Unternehmen sollten Social Media nutzen, um frühzeitig Trends zu identifizieren, eine direkte und unkomplizierte Kommunikation und Interaktion zu starten und Angebote und Infos weiterzugeben. Was eine tolle Methode zum Reputationsaufbau ist, kann aber auch nach hinten losgehen: Negative Bewertungen und Feedback kann dem Unternehmensimage schaden – dabei sind Rezensionen oft entscheidend für Kauf oder Nicht-Kauf. Besonderes Potenzial sieht Prof. Dr. Fassnacht beim Kanal Instagram – denn visueller Content hat schon immer unsere Aufmerksamkeit erregt.

8. Die Möglichkeiten des Kundenbeziehungsmanagements wachsen mit der Verfügbarkeit und Auswertung von Daten.

Daten helfen zu verkaufen – sollten sie jedenfalls. Oft benötigen Unternehmen spezifischere Daten als die vorliegenden. Algorithmen können in Zukunft komplexere Zusammenhänge aufzeigen und Empfehlungen geben. Aber: Wie lässt sich aus wenigen oder inkonsistenten Daten ein aussagekräftiges Gesamtbild erstellen? Wie können oder sollten Unternehmen vertrauensvoll mit den Daten ihrer Kunden umgehen?

Eine Möglichkeit sind Loyalty Programme wie beispielsweise Payback. Für den stationären Handel sind diese besonders wichtig, da hier weitaus weniger Kundendaten erhoben werden. Aber auch hier gilt: Mehrwerte sind das A und O. Besondere Angebote machen die Programme attraktiv.

9. Innovative Geschäftsmodelle verändern das Einkaufsverhalten von Shoppern.

Amazon Dash ist das Buzz-Wort, wenn es um innovative Geschäftsmodelle der letzten Zeit geht. Mit der kinderleichten Bedienung – entweder via Stimme oder Knopfdruck – können Produkte nachbestellt werden. Gerade der Dash Button ist dabei besonders: Er ist einem bestimmten Amazon-Produkt zugewiesen.

10. Technologische Entwicklungen revolutionieren die Zahlungsabwicklung und Logistik.

Was früher nach einer unvorstellbaren Zukunft klang, ist heute schon Realität: Drohnen und fahrende Roboter, die Pakete liefern oder Bezahlen mit dem Smartphone. Auch 3D-Drucker spielen eine große Rolle. Hier können individuelle Vorlieben, zum Beispiel die Mischung des Lieblingscocktails, gespeichert und per Knopfdruck wiederholt werden – Mass Customization also. Rein realistisch gesehen haben einige dieser Bereiche sicherlich ihre Schwachpunkte – oder wo soll die Drohne in eurer Kellerwohnung das Paket abwerfen?

11. Digitalisierung ermöglicht Kundenintegration und Live-Interaktion, die Mehrwerte für Shopper und Unternehmen schaffen.

Die sogenannte Mass Customization verbindet die Massenproduktion mit der Individualisierung des Produkts – das, wonach sich viele Kunden sehnen. Ein Beispiel dafür ist MyMüsli. Im Online-Shop kann sich jeder sein inviduelles Müsli zusammenstellen – auch ohne die verhassten Rosinen. Neue Technologien vereinfachen die Umsetzung erheblich und schaffen zukünftig neue Möglichkeiten, „persönliche“ Produkte anfertigen zu lassen.

Beliebt sind auch (Design-)Wettbewerbe oder das Zusammenstellen des indivduellen Joghurts oder der Pizza – via Voting kommt die beliebteste Variante in den Handel. Künstliche Intelligenz geht schon eine Stufe weiter: Als digitaler Assistent vereinfachen uns die sprachgesteuerten Systeme den Alltag und helfen beim Einkaufen.

Fazit

Deutschland hat in Sachen Digitalisierung und Omnichannel noch eine Menge aufzuholen – im Vergleich zu Asien hinken wir meilenweit hinterher. Unternehmen dürfen nicht nur von digitalem Marketing sprechen, sondern müssen in allen Bereichen ihres Handels und ihrer Struktur das Digitale einbinden.

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